Am ersten Tag unserer Abschlussfahrt machten wir uns auf zu einer Miniwanderung – vorbei an Kornfeldern und hinein in einen kleinen Wald, in dem sich der sogenannte Lehrpfad der unholden Personen verbirgt. Ziel war es, sich auf ungewohnte Weise mit Persönlichkeiten der Zeitgeschichte auseinanderzusetzen, die durch Machtmissbrauch, politische Gewalt oder die Unterdrückung Andersdenkender negativ in Erinnerung geblieben sind.
Zu Beginn äußerten die Schüler erste Vermutungen darüber, wem sie auf dem Pfad begegnen könnten – genannt wurden unter anderem Adolf Hitler, Josef Stalin und Donald Trump. Eine Schülerin schlug mit einem Augenzwinkern Til Schweiger vor – ein humorvoller Insidergag, der sich aus wiederholten Diskussionen im Unterricht über die Qualität seiner Filme entwickelt hatte.
Die erste Station führte zu Erich Honecker, einem zentralen Akteur des DDR-Regimes. Die Auseinandersetzung mit ihm knüpfte unmittelbar an das aktuelle Generationenprojekt zum Thema Mauerfall und deutsche Teilung an. Honeckers Verantwortung für politische Repression, das Stasi-Überwachungssystem sowie die tödlichen Konsequenzen der Grenzsicherung wurden vor Ort nochmals thematisiert. Überraschend war, dass er zunächst nur von wenigen erkannt wurde.
Wenig später identifizierte Bruno Wladimir Iljitsch Lenin – und konnte auch eine ungefähre Vorstellung von dessen Ideen äußern. Die Ambivalenz seiner historischen Rolle wurde gemeinsam herausgearbeitet: Auf der einen Seite stand das Ziel, soziale Gerechtigkeit durch kommunistische Ideale zu verwirklichen, auf der anderen Seite die gewaltsame Ausschaltung Andersdenkender und der Aufbau eines totalitären Systems. So zeigte sich exemplarisch, dass politische Extreme – gleich welcher ideologischen Herkunft – in ähnlicher Weise Freiheitsrechte unterdrücken können.
Mit Nikita Chruschtschow begegneten die Schüler einer weiteren Figur des Ostblocks. In seiner Amtszeit war er maßgeblich an der Kuba-Krise beteiligt, die die Welt an den Rand eines Atomkriegs brachte. Gleichzeitig leitete er erste Schritte zur Entstalinisierung ein – ein widersprüchliches Erbe zwischen Reform und Repression.
Im weiteren Verlauf richtete sich der Blick auf Vertreter des Westens, darunter George W. Bush und Donald Trump. Bei Bush erinnerte sich Lanea an ihre Facharbeit, in der sie sich mit den Anschlägen vom 11. September 2001 beschäftigt hatte – ein Ereignis, das seine Präsidentschaft prägte und in der Folge zu weltpolitischen Entscheidungen wie dem Irakkrieg und umstrittenen sicherheitspolitischen Maßnahmen führte.
Donald Trump begegneten wir relativ am Ende des Pfads – eine Figur, die bereits zu Beginn von Caspar als möglicher „Unhold“ ins Spiel gebracht worden war. Dass er auf dem Pfad vertreten war, überraschte kaum, da Trump durch soziale Medien wie TikTok eine polarisierende Präsenz in der politischen Wahrnehmung vieler Jugendlicher einnimmt. Die meisten Schüler hörten interessiert zu und versuchten, ihr teils fragmentarisches Vorwissen einzuordnen. Erste Äußerungen – etwa die Einschätzung, Trump sei homophob – boten Anlass, seine politischen Entscheidungen genauer zu betrachten, etwa den Rückzug der Unterstützung für NGOs, die sich für LGBTQ-Rechte eingesetzt hatten. Schritt für Schritt wurde das vorhandene Wissen ergänzt, sodass ein differenzierteres Bild entstand. Nur wenige Schüler zeigten vertiefte Kenntnisse, aber gerade diese Mischung aus Bekanntem und neu Erfahrenem ermöglichte eine lebendige Auseinandersetzung.
Zum Abschluss wurde die Frage gestellt, was die Schüler aus dem Besuch des Lehrpfads mitnehmen. Neben vielen klugen und reflektierten Beiträgen wurde auch humorvoll angemerkt, man habe gelernt, mit neuen weißen Turnschuhen besser keine matschigen Waldwege zu betreten, aber auch Politikern mit einer gesunden Portion Skepsis zu begegnen.
Fazit:
Der Lehrpfad war eine gelungene, teils auch provokante Anregung zur Auseinandersetzung mit Macht, Ideologie und politischer Verantwortung. Er machte eindrücklich deutlich, dass politische Systeme – unabhängig von ihrer Ausrichtung – in dem Moment gefährlich werden, in dem Machtinteressen über Menschlichkeit gestellt und Kritik unterdrückt wird. Politiker verfolgen oft strategische Eigeninteressen und nennen nicht offen die wahren Beweggründe ihrer Entscheidungen – ein Muster, das sich auch in der Gegenwart beobachten lässt. Umso wichtiger ist die Fähigkeit zur kritischen Analyse und historischen Einordnung.
Bericht unf Fotos (5): Frau Lembke